Keith Weed, Unilever
Herr Weed, die datenbasierte Kundenanalyse ist für Sie der Weg, den Marketer in Zukunft gehen müssen. Dieses Lob der Insights klingt ein wenig, als ob Marketing künftig zum Malen nach Zahlen werden soll. Wo bleibt die Kreativität im datengestützten Marketing?
Generell denke ich, wir müssen unsere Haltung verändern: Weniger „Marketing für Konsumenten“ und mehr „Bedeutsamkeit für Menschen“. Das setzt allerdings voraus, eine Beziehung zu den Menschen herzustellen und individuell und persönlich mit ihnen zu interagieren. Wir haben uns daher zum Ziel gesetzt, Beziehungen mit einer Milliarde Menschen aufzubauen. Und wenn Sie so vielen Menschen glaubwürdig, authentisch und wirkungsvoll einen Mehrwert bieten wollen, benötigen Sie verlässliche Daten und müssen diese intelligent einsetzen.
Was heißt „Bedeutsamkeit für den Menschen“ konkret? Würden Sie eine etablierte Produktmarke fortführen, auch wenn sie keine klare Markenphilosophie hätte, die den Kunden einen konkreten Mehrwert bieten könnte?
Wir konzentrieren uns bei Unilever seit einiger Zeit darauf, unsere Marken entlang sinnvoller Ziele und Philosophien auszurichten. Der Fokus auf Kundenorientierung ist ein zentraler Punkt dieses Ansatzes. Das machen wir jedoch nicht, weil wir denken, es sei charmant, sondern vielmehr weil es wirtschaftlich sinnvoll ist. Unsere Marken aus dem Segment „Sustainable Living“ verfolgen beispielsweise eine sehr sinnstiftende Markenphilosophie und wachsen dabei doppelt so schnell wie andere Marken in unserem Portfolio. Wir arbeiten kontinuierlich daran, für unsere Marken den eigentlichen Sinn zu definieren und überzeugende Philosophien zu entwickeln. Dies ist selbstverständlich ein Prozess und einige unserer Marken sind hier weiter als andere. Für unsere umsatzstärksten Marken wollen wir diesen Prozess jedoch in naher Zukunft abgeschlossen haben.
Aber lässt sich der Bedarf für individuelle Markenerlebnisse überhaupt mit dem klassischen Verständnis einer Massenverbrauchermarke in Einklang bringen?
Technologie macht das Unmögliche möglich! Konsumenten suchen – und erwarten förmlich – die individuelle, persönliche Ansprache. Dieser Trend wird sich verfestigen. Unser Job ist es, diese Erwartung mit maßgeschneiderten Markenerlebnissen zu befriedigen, egal ob es um eine Luxusmarke wie Dermalogica geht oder um Massenmarken wie Dove oder Magnum. Auch wenn sich an der Rolle des Marketers zuletzt nichts geändert hat – nämlich Bedürfnisse zu identifizieren und zu erfüllen – bin ich dennoch der festen Überzeugung, dass klassische Marketingkonzepte aus dem 20. Jahrhundert schon sehr bald ausgedient haben. Unsere Herausforderung besteht also darin, personalisierte Markenkonzepte zu entwickeln, die reproduzierbar sind und uns gleichzeitig weiter wachsen lassen.
Bedeutet dieser Fokus auf Kundenbeziehungen, dass CRM strategisch eine größere Rolle im Marketingmix spielt? Und wie kann das bei einem FMCG-Unternehmen wie Unilever, das hauptsächlich mit Impulskäufen zu tun hat, überhaupt funktionieren?
Unsere große Chance besteht darin, traditionelle Ansätze mit neuen Erkenntnissen zu verbinden. Der Umgang mit Daten aus unserem Kundencenter ist hierfür ein gutes Beispiel: Über alle unsere Marken hinweg erhalten wir jeden Monat weltweit Millionen von Anrufen. 70 bis 80 Prozent der Anrufer suchen dabei meist nur eine Lösung für ein einfaches Problem. Weil wir diese Informationen jedoch gezielt analysieren, vertiefen wir unser Kundenverständnis und können auf Entwicklungen reagieren, die wir andernfalls wohl übersehen hätten. Unser Fokus liegt nun darauf, solche Prozesse zu skalieren, um kontinuierlich Insights und neue Ideen zu entwickeln. cam