Michael Obermeyr, Geschäftsführer REICHLUNDPARTNER PR, und Petra Huber-Ackerl, Geschäftsführerin SMC Social Media Communications, diskutieren über den Journalismus der Zukunft.
Die Zahl der in Österreich tätigen Journalisten ist im vergangenen Jahrzehnt deutlich gesunken und weiterhin im Sinkflug. Demgegenüber steht eine stetig steigende Zahl an Menschen in Kommunikationsberufen. Hat der Journalismus ein ernstes Problem?
Obermeyr: Es sind jedenfalls Bruchstellen vorhanden und es stellt sich auch die Frage nach dem Stellenwert eines unabhängigen, aufklärerischen Journalismus. Dazu braucht es aber entsprechende personelle und finanzielle Kapazitäten, die oftmals nicht gegeben sind. Auch schlechte Arbeitsbedingungen, hoher Druck und ein enormes Arbeitspensum sind Belastungen, denen Journalisten sich ausgesetzt sehen, weshalb sie auch gerne immer wieder auf PR-Leistungen zurückgreifen.
Huber-Ackerl: Die digitale Mediennutzung ist in den letzten Jahren stark gestiegen und dieser Trend wird sich fortsetzen. Gerade die Generation der „Unter 40-Jährigen“ konsumiert Medien bereits zu einem überwiegenden Teil digital. Noch jüngere Altersgruppen nutzen praktisch ausschließlich digitale Medien zur Informationsgewinnung. Die Kommunikationsbranche verändert sich entsprechend, das bedeutet aber keinesfalls, dass professioneller Journalismus ausgedient hätte, ganz im Gegenteil. Wir befinden uns aktuell in einem Transformationsprozess, in dem klassische Medien und Journalisten ihren Weg erst final finden müssen und entsprechend kann diese Unsicherheit zu dem erwähnten Abgang von Journalisten führen. Bezahlmodelle für Online-Konsumation sind oft noch kompliziert oder teuer, hier wird die Branche Lösungen, die perfekt und schnell sind, erarbeiten müssen. Es gibt aber bereits einiges an Bewegung und ich bin davon überzeugt, dass professioneller Journalismus, vor allem im digitalen Raum, enormen Wert hat und auch Wertschätzung erfährt. Ein User hat digital viele Möglichkeiten sich zu informieren, die Zielgruppe der (früheren) Printleser unterscheidet sehr wohl zwischen professionell recherchiertem Material, Inhalten von Bloggern, Influencern und persönlichen User-Meinungen. Diese Formen der Informationseinholung konkurrieren nicht miteinander, sondern ergänzen sich. Das ist eine enorme Chance für guten Journalismus, echte Recherchen und das Aufgreifen von Themen. Wir haben hier bereits vor mehreren Jahren für den ORF an der Entwicklung des digitalen Magazins „ORF Meins“, meins.orf.at, mitgearbeitet, in dem jede Woche ein anderes Thema mit mehreren Beiträgen, Videos und Recherchen bearbeitet und präsentiert wurde.
Mit der Digitalisierung und neuen Technologien haben sich neue Kommunikationswege eröffnet. Wie ist das Verhältnis zwischen PR-Beratern und Influencern?
Obermeyr: Influencer-Marketing ist natürlich ein Trendthema, steckt im PR-Bereich aber quasi noch in den Kinderschuhen. Dennoch sind Influencer neben den klassischen Meinungsmachern wichtige Multiplikatoren, die, bei richtiger Auswahl, sehr wertvoll sein können. Wesentlich ist dabei nicht die Anzahl an Followern, sondern die Expertise, die der Influencer auf einem bestimmten Gebiet zu bieten hat und das Vertrauen, das er bei seinen Followern genießt.
Huber-Ackerl: Wir verfügen über sehr gute Kontakte zu Influencern aus allen Bereichen, entdecken bei jeder Analyse aber auch tolle neue Accounts. Die Möglichkeiten der Zusammenarbeit sind vielseitig. Ich sehe unsere Aufgabe auch stark darin, Unternehmen und Marken dahingehend zu beraten, welche Kooperationen sinnvoll sind und echten Erfolg versprechen. Von künstlich wirkenden Postings raten wir ab. Auch eignet sich nicht jedes Produkt und jedes Thema für eine Influencer-Kampagne. Gerade aber wenn das Produkt perfekt zu dem Influencer und dessen Zielgruppe passt, kann eine Kooperation grandiose Erfolge bringen. Lifestyle-Produkte, vor allem im Hinblick auf ökologischen Wert beispielsweise, eigenen sich wunderbar, ebenso innovative Produkte, Apps etc.
Was bringen Influencer mit, was professioneller Journalismus nicht kann und umgekehrt?
Huber-Ackerl: In der Fashion-Branche ist es heute bereits so, dass die Front Row mit Journalisten und Influencern gleichermaßen besetzt ist. Dieses Bild gefällt mir persönlich besonders gut, denn jeder hat „seinen Markt“ und seine Berechtigung. Ein Influencer repräsentiert sich selbst, sein Leben, seinen Lifestyle, teilt die persönliche Meinung seiner Followerschaft mit und inspiriert diese. Ein Journalist berichtet neutral und mit großem Hintergrundwissen und Expertise. Für mich ist es also kein entweder oder, sondern ein sowohl als auch – auch im Hinblick auf Marketing und Kommunikationsmaßnahmen.
Obermeyr: Was den Journalismus ganz klar von Meinungsbildnern in den sozialen Netzwerken unterscheidet, ist sein unabhängiger Informationsauftrag. Nicht umsonst wird der Journalismus auch als Vierte Gewalt bezeichnet, da er durch die Berichterstattung und die damit verbundene öffentliche Diskussion das politische Geschehen beeinflussen kann. Hinzu kommt, dass unabhängige Medien ein wichtiges Merkmal demokratischer Gesellschaften sind. Journalisten gelten zudem als Gatekeeper. Informationen werden zunächst geprüft und bearbeitet. Damit erzielen Journalisten großes Vertrauen, denn sie multiplizieren nicht einfach nur Inhalte.
Innerhalb der sozialen Netzwerke werden konträre Meinungen und objektive Hintergrundinformation wie im Journalismus ausgeblendet. Welche Gefahren können daraus entstehen?
Huber-Ackerl: In sozialen Medien lebt man schon in einer Bubble von ähnlich denkenden Menschen und teilweise auch einseitigen Sichtweisen. Selbst welche sozialen Medien genutzt werden, ist je Bubble unterschiedlich. Kritisch gesehen trifft das natürlich ebenso auf das „echte“ Leben zu, in dem es diese Bubbles, also das Zusammensein mit Gleichgesinnten, schon seit Urzeiten gibt. Algorithmen bestärken das im digitalen Umfeld noch zusätzlich. Objektive Information beziehungsweise auch die Möglichkeit sich umfassend qualitativ zu informieren, existiert selbstverständlich ebenso in sozialen Medien – vielleicht sogar so effizient, global und schnell wie nie zuvor. Es hat also alles immer zwei Seiten.
Obermeyr: Im schlimmsten Fall bedeutet es die Schaffung eigener, alternativer Realitäten mit Hilfe von Plattformen, abseits klassischer, etablierter Medien.
Um noch einmal an die Eingangsfrage anzuschließen: Wie sieht der Journalismus der Zukunft aus?
Obermeyr: Ich sehe die Zukunft etwas zwiegespalten.Einerseits wird es für die Journalisten immer schwieriger, den Kampf um die Aufmerksamkeit zu gewinnen. Zudem müssen Medien flexibel sein und angesichts neuer Tools auch neue Verbreitungswege wagen. Andererseits wird gut gemachter Journalismus künftig gefragter und wichtiger sein denn je, da er machtgierige Politiker und Missstände aufzeigt und unter die Lupe nimmt. Kritisches Denken, die richtigen Fragen stellen und ausführliches Recherchieren wird niemals obsolet sein.
Huber-Ackerl: Der Journalismus ist mitten in einem Prozess des Wandels, ich bin überzeugt davon, dass für guten Journalismus heute und künftig mehr denn je Platz ist. Soziale Medien helfen, dessen Inhalte weiter zu verbreiten und werden einer der Key Faktoren sein, auch in der Verbreitung journalistischer Inhalte. Die Zukunft ist spannend und wir sind mitten drinnen – hohe Qualität bei Recherchen und Berichterstattung auf Seite der Journalisten/Medien und das Sehen von Chancen statt Gefahren werden entscheidend sein.