Wenn Kollegen mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren, heißt das nicht, dass sie sich kein Auto leisten könnten. So wie der deutsche Vizekanzler Sigmar Gabriel, der mittwochs seine Tochter von der Kindertagesstätte abholt, ist der radfahrende Kollege ein Vertreter eines bestimmten Lebensstils.
An "Lifestyles“ hängen die Trendforscher des Zukunftsinstitutes ihre aktuelle Studie "Lebensstile für morgen – Das neue Modell für Gesellschaft, Marketing und Konsum“ auf. Denn anders als die Milieus, auf die sich zahlreiche soziologische Studien berufen, seien Lebensstile selbst gewählt und schaffen in einer Gesellschaft von Ultraindividualisten trotzdem Gemeinschaften. Im Groben beschreibbar seien diese über eine Mischung aus Werten, Einstellungen und Konsumpräferenzen.

Für diese Form des "integrierten Individualismus“, wie das die Studienautoren bezeichnen, spielen ganz klassische demografische Kriterien nur noch geringe Relevanz. Den Lebensstilen komme so die Funktion zu, "individualisierten Menschen im schnellen sozialen Wandel Orientierung und Gemeinsamkeit zu geben“, zitieren die Zukunftsforscher die Soziologen Stefan Hradil und Annette Spellerberg.

Lebensstil schaffe Konformität, Zustimmung und Gefolgschaft, heißt es. Nicht zuletzt haben Lebensstile auch erheblichen Einfluss auf Arbeitsstile und die Job- sowie Arbeitgeberwahl. Insgesamt hat das Zukunftsinstitut 30.274 zufällig ausgewählte Personen zu ihren Einstellungen und Verhaltensweisen befragt. Allen gemein sei sein hohes Autonomieverständnis. Zehn innovative Lebensstile werden in der Untersuchung dargestellt.

Creativiteens. Die Gruppe der 14- bis 25-Jährigen gehört zu "einer neuen Generation an Teenagern, die weniger von der Abgrenzung lebt als von der integrativen Kraft der technisierten Digitalgesellschaft“. Die Nachfolger der Generation Facebook sozialisieren sich auch privat gerne über das Netz. Das Virtuelle haben die Creativiteens längst in ihr reales Leben integriert. Teilhabe sei für diese Menschen selbstverständlich – beschrieben wird diese Haltung mit "vom Mitmach-Web zum Mitmach-Leben“. Diese Jungen sind ehrgeizig und wollen im Leben was erreichen. Sie sind konservativ, "klassische Bausparer“, so die Autoren. Werte wie Familie und Freunde stehen ganz oben.

Business-Freestyler sind hochqualifiziert, selbstbewusst und permanent auf der Suche nach sich selbst, nach einer größeren Herausforderung und nach mehr Verantwortung – ober überhaupt nach mehr Glück und einem besseren Leben. Diese Gruppe ist unter den 20- bis 35-Jährigen zu finden. Es seien jene Menschen, die ihre "Ping-Pong-Biografien“ professionell planen. Von Durchschnitt hält diese Gruppe nicht viel, heißt es. Stillstand und Langeweile seien ihnen fremd. Klare Ziele im Leben werden von Phasen der Selbstverwirklichung und des Erlebnishungers unterbrochen. Business-Freestyler haben zwar die Werte der Leistungsgesellschaft verinnerlicht, lehnen es jedoch ab, sich an anderen zu messen. Motto: Man muss nur den eigenen Anforderungen ent sprechen.

Proll Professionals sind in der Altersgruppe zwischen 20 und 40 Jahren am häufigsten vertreten, und sie sind zwar nicht klug, aber schlau, heißt es. Hier geht es um Spaß an der Selbstinszenierung – mit dicken Autos und möglichst viel Bling-Bling. Kritische Selbstdistanz und professioneller Habitus definierten diese Gruppe, die sich durch und durch bewusst sei, dass ohne Anstrengung im Leben nichts zu erreichen ist. Die Ökonomie des Geldes werde hier radikal mit der Ökonomie der Aufmerksamkeit verknüpft – Stichwort Doku-Soap-Stars.

Gutbürger lieben gutes Essen und Trinken – sie pflegen den „Öko-Pragmatismus mit Stil“, so die Autoren. Familienorientierung und Selbstverwirklichung bringen diese Menschen in Einklang, sie übernehmen Verantwortung und stoßen aktiv Veränderungen an. Gutbürger – sie sind zwischen 25 und 45 Jahre alt – legen Wert auf ihre Gesundheit und achten beim Einkauf auf Nachhaltigkeit. Sie sind familien- und erlebnisorientiert, sozial engagiert und gut vernetzt. Diese Gruppe arbeitet gerne – von überall und zu jeder Zeit, heißt es. Babygeschrei im Hintergrund eines Telefonats sei üblich, heißt es. Hauptsache sei, der Job ermögliche Sinnstiftung und Raum für Kreativität.

Tiger Women bestimmen laut Autoren das moderne Rollenbild der Frau – unabhängig, selbstständig, berufstätig, aber keine Alleinkämpferin. Ein neues paritätisches Lebens- und Gesellschaftsmodell sei deren Ziel. Diese Frauen seien „leistungs- und erfolgsorientiert, stellen den Beruf in den Mittelpunkt ihres Lebens, wünsche sich aber zugleich kaum weniger stark auch eine funktionierende Partnerschaft und Familie samt Kindern. Sowohl-als-auch sei deren Lebensmotto. Tiger Women stellen Führungsansprüche, der Anteil der Selbstständigen sei überdurchschnittlich hoch. Motto: „Nicht lange reden, machen“.

Superdaddys sollen in den kommenden Jahren die Gesellschaft am nachhaltigsten verändern, so die Autoren. Mit der Rolle des aktiven Vaters werde eine massive Veränderung im Rollenbild der Geschlechter erwartet. Mit Superdaddys – man finde sie unter den 30- bis 55-Jährigen – sind allerdings nicht jene gemeint, die in der Statistik "weniger auffallen“ – wie Karenzväter (werden langsam mehr), Alleinerzieher oder gar Hausmänner. Es sei deren Haltung, die hervorsteche: Nicht nur der Job stehe an erster Stelle, sondern auch Familie/Kinder, heißt es. Freizeit und Beruf seien bei dieser Gruppe nicht mehr deutlich zu trennen, alte Identitätsmodelle könnten so ins Wanken kommen – Überrepräsentierung in Führungsetagen oder Besserbezahlung.

Mainstream-Stars gehören nicht mehr zu den Jüngsten. Die zwischen 40- und 60-Jährigen gehen als die Normalos in dieser Aufzählung durch: Sie pflegen unspektakuläre Hobbys wie Fernsehen und wohnen gerne im Reihenhaus. Eine der wenigen Extravaganzen, die diese Gruppe sich zu gönnen scheint, ist Mode – da wagen sie auch gerne Experimente und probieren gerne Neues aus. Mittelpunkt ihres Lebens ist die Wohnung oder das Haus. Ausgeprägte Freude an ihren Jobs haben diese Menschen aber nicht. Der Beruf sei zum Geldverdienen da.

Sinn-Karrieristen sind laut Studie jene Menschen, die besonders großen Wert auf gute und vielseitige Bildung legen. Es seien jene, für die Lethargie in der Lebensmitte nicht infrage komme: Diese Menschen wagen den Neuanfang. Sie lassen Routinen hinter sich und steigen aus. Das Ziel der Sinn-Karrieristen (zwischen 45 und 60 Jahren alt) sei vor allem, sich selbst zu finden. Das zähle mehr als eine anerkannte Stellung in der Gesellschaft oder ein sicherer Job.

Silverpreneure sind auch noch im Pensionsalter berufstätig. Arbeit macht dieser Gruppe Spaß, und nebenbei setzen sie wichtige Impulse für ein neues Altersbild in der Gesellschaft, so die Autoren. Wichtig sei die Befriedigung, Erfahrungen und Wissen sinnvoll weiterzugeben. Motto: Arbeit auf freiwilliger Basis und mit einer neuen Leichtigkeit.

Forever Youngsters seien jene Menschen mit einer wiedererlangten Pubertät. Motto der 55- bis 80-Jährigen: Endlich geht das wahre Leben los! Neue Horizonte erkunden, Träume verwirklichen, alte Leidenschaften richtig aus leben. Selbstverwirklichung, Individualität und die Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen seien zentrale Werte. Eine Gruppe, die sich gerne sozial engagiere.

Quelle: (DER STANDARD, 02./03.08.2014)

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